Transkript der Podcastfolge

"Zwischen Tech und Sinn: Unternehmertum mit KI & Purpose | Im Gespräch mit Serhan Sidan"
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Einspieler

Herzlich Willkommen beim Podcast von „Digitales Unternehmertum“. Wir bieten euch Deep Dives zu den unterschiedlichsten digitalen Themen, führen Interviews mit interessanten Unternehmern und Persönlichkeiten und geben euch Orientierung in der digitalen Welt. Begrüßt mit mir euren Gastgeber Thomas Ottersbach. Auf geht's!

Thomas Ottersbach

Schön, dass du dabei bist bei einer neuen Podcastepisode. Heute habe ich den Serhan Sidan zu Gast. Er ist seit über 30 Jahren Unternehmer, hat verschiedene Unternehmen aufgebaut und ich möchte mit ihm über das Thema zwischen Tech und Purpose sprechen. Wie funktioniert aus seiner Sicht Unternehmertum, welche Erfahrungen hat er gemacht und wie ist das Ganze mit Technik, also insbesondere mit KI Purpose zu kombinieren beziehungsweise vereinbar in seinen Unternehmen?

Er hat die unterschiedlichsten Unternehmen gegründet, beispielsweise eine Agentur Mattomedia, dann auch die EE-Experten, wo über 100 Mitarbeiter sich um das Energiethema kümmern und auch mit danova ein Unternehmen, was Barrierefreiheit für Webseiten umsetzt. Der eine andere wird vielleicht noch den Partner danova aus unseren vorherigen Podcast Episoden kennen, auch da noch mal die Empfehlung. Ich fand es aber total spannend, mit Serhan über sein Mindset zu sprechen und wie er Veränderung in seinen Unternehmen umgesetzt hat.

Ich würde vorschlagen, wir legen direkt los und erstmal Serhan schön, dass du Zeit gefunden hast, mit mir über dieses spannende Thema heute zu sprechen, bevor wir das machen. Ich habe bestimmt noch was vergessen. Erzähl doch mal. Wie ging es bei dir im Unternehmertum los und wer bist du und was machst du ganz genau? Und dann wollen wir uns auch in der Tiefe mit unserem heutigen Thema beschäftigen.

Serhan Sidan

Ja, herzlichen Dank für die Einladung. Tatsächlich bin ich eben so wie viele deiner Gesprächspartner schon seit der nahezu ersten Stunde des Internets aktiv, seit ungefähr 30 Jahren dabei. Damals zunächst im Bereich IT unterwegs gewesen. Aus der Fähigkeit, mit der IT umzugehen, wurde dann auch ganz schnell die Fähigkeit mit der IT entsprechend Resultate zu präsentieren, also sei es im Bereich Print oder dann halt auch später im Bereich Web. Und angefangen hat das Ganze mit einem Verlag, mit einem Kleinen, habe also ein Magazin herausgegeben, das Magazin selbst gestaltet. Damals noch mit coreldraw Inhalte recherchiert im Internet, dazu passende Internetseite gebaut und das Magazin selbst verteilt, und irgendwann habe ich dann halt eben gemerkt, dass man vielleicht ein bisschen mehr Geld damit verdient oder überhaupt Geld damit verdient, Inhalte für andere zu erstellen, als diese zum Beispiel in Form von Anzeigen zu veröffentlichen. Als Beispiel also, man schaltet eine Anzeige für eine Diskothek in diesem Magazin, die bezahlt dann 200€ für eine Seite und dann hat man am Ende nicht viel verdient, weil die Druckkosten damals halt noch erheblich waren und Internet-Druckereien gab es in diesem Sinne noch nicht. Haben dann irgendwann angefangen oder ich habe dann irgendwann angefangen, Anzeigenformate zu erstellen und die dann auch zu berechnen und daraus wuchs dann eine Agentur heran. Diese Agentur hatte dann innerhalb kürzester Zeit bis zu 20 Mitarbeitern und so haben wir es geschafft, dann ursprünglich von einer Agentur die Visitenkarten für Nagelstudios oder auch Flyer für Dönerläden entwickelt und so weiter, dann später für die Bundesregierung tätig zu sein und für Konzerne und dergleichen.

Ich habe natürlich alle Höhen und Tiefen mitbekommen, also auch die Bubble und ganz viele, ganz viele Effekte damals und natürlich auch die unterschiedlichsten Kunden ausprobiert und die unterschiedlichsten Disziplinen mir aneignen müssen. Also von der Fotografie bis hinzu SEO oder Webdevelopment oder Editorial und natürlich noch Buchhaltung, nebenbei also die eierlegende Wollmilchsau oder halt selbstständiger Unternehmer, der eigentlich alles wissen können und soll. Ganz wichtig dabei war natürlich immer der persönliche Kontakt zum Kunden, also der Kunde hat es dann eben erst zu schätzen gewusst - eine Zusammenarbeit -, wenn dann eben der Chef, also in dem Fall ich, weil es war ein Ein-Mann-Unternehmen, aber das tut nichts zur Sache, am Tisch sitzt am besten bis nachts um 23:00 Uhr und da hatte ich mit unter Kunden die parallel im Hotel gegenüber Käse für mehr Wert bestellt haben, als ich dann nachher Honorar bekommen habe.

Wie gesagt 20/30 Jahre Agenturleben auf dem Buckel, da bekommt man einiges mit und hat auch viel Kontakt mit Menschen, die einen prägen. Die nimmt man dann natürlich dann auch im Privatleben immer mit nach Hause und irgendwann habe ich erkannt, dass durch den stetigen Wandel, durch den Kontakt mit den Kunden ich dann auch extrem darunter leide. Also ich hatte wie gesagt, eine gut laufende Agentur habe ich immer noch, aber und habe dann halt das dringende Bedürfnis gehabt, irgendetwas zu ändern. Wurde auch nicht besser, also man hat dann immer mehr Probleme mit nach Hause genommen und genauso wie eben ein Kunde in der Lage ist, jemanden aufzubauen, indem man sagt, das hast du jetzt richtig gut gemacht und das hat funktioniert und nicht nur genau so, sondern auch genau dann, hat der Kunde dann auch die Möglichkeit dich, ohne dass man jetzt hier rational auch irgendeinen Grund dafür sehen würde, auch abzubauen.

Also in dem ihm jetzt mal was nicht so gefallen hat oder in dem der gewünschte Effekt sich so nicht wie gewünscht eingestellt hat. Hab dann irgendwann angefangen mit der Agentur nach und nach auszusortieren. War eine sehr harte und auch sehr gefährliche Erfahrung, die ich damals gemacht habe, also gerade Kunden, die sehr regelmäßig präsent waren. Also weiß nicht die alle 5 Minuten angerufen haben oder jeden Tag da waren, denen auch mal zu sagen, ja es wäre gut, wenn du das vielleicht, wenn du vielleicht nicht mehr kommen würdest, ne, also ohne Rücksicht auf Umsatzeinbußen sich zu verabschieden nach und nach und habe dann halt im Nachhinein festgestellt, dass das eigentlich richtig gut tut.

Thomas Ottersbach

Und dann sind wir eigentlich schon bei dem Thema. Ne diese Sinnhaftigkeit, das was dir dann aufgefallen ist über die Jahre. Vielleicht kannst du noch mal kurz erklären, was du aktuell für Unternehmen hast oder wo du aktiv bist. Du hast ja glaube ich nicht nur die Agentur, damit wir noch so ein bisschen was über dich haben und dann würde ich gerne tiefer in das Thema mal, vor allen Dingen in deine Gedanken mal einsteigen, weil ich glaube, die Gedanken haben viele Unternehmen und da muss man schon, du hast eben schon gesagt, Mut haben um das zu machen, aber vielleicht gibt es da noch andere Dinge, die du da machst aktuell.

Serhan Sidan

Richtig, also wie gesagt Agentur, also Kreativagentur. Wir haben sehr viel für andere Kunden gearbeitet und den Kunden im Grunde erklärt, wie sie das, was sie jetzt gerade tun, noch effektiver oder besser machen können, um beispielsweise ihren Umsatz zu erhöhen oder viele andere Möglichkeiten, Personalgewinnung und dergleichen.

Und irgendwann habe ich mich gefragt: Mensch, warum machst du das nicht für dich selbst? Haben also dann nach und nach angefangen. Eigene Projekte auf die Beine zu stellen, um hier eine gewisse Autarkie herzustellen, um eben nicht mehr vom Wohlwollen oder vom Gefallen von einzelnen Menschen, von Ansprechpartnern abhängig zu sein, sondern einfach um mal selbst die Geschicke zu lenken und haben dann angefangen im Bereich Energieberatung was zu tun. Da haben wir ein Unternehmen gestartet, das hat mittlerweile ungefähr 100 Mitarbeiter, also sehr erfolgreich. Und das war jetzt auch kein Zufall, dass es ausgerechnet in die Energieberatung ging, weil so im Laufe der Jahre immer wieder aus Kundengesprächen und der Beratung heraus, hat man dann eben gelernt, dass ein Unternehmen aufzubauen so ein bisschen ist wie eine Suppe zu kochen. Also es gibt einzelne Zutaten, die es eben braucht, die das Ganze dann nachher auch beständig macht und die Beständigkeit, die besteht aus unglaublich vielen Komponenten, damit sich das ganze erstens finanziell trägt, dann aber auch vielleicht psychisch trägt, und zwar im Hinblick auf die eigene Person, aber auch auf die Mitarbeiter. Du kannst dir weder eine hohe Fluktuation erlauben, noch willst du ungern zur Arbeit gehen, deswegen muss alles so ein bisschen stimmen.

Damit einhergehen zum Beispiel Abrechnungsmodelle, also regelmäßiges Geld, wiederkehrende Kunden und vielleicht auch eine gewisse, ist mir auch immer ganz wichtig, eine gewisse Hürde, also ein gewisses hohes Level an Einstiegswissen, das erforderlich ist, um in einen bestimmten Markt einzutreten. Also alles, was sehr einfach ist, da tummeln sich dann natürlich auch ganz viele Menschen und dann muss man sich durch eine Spezialisierung oder durch sehr schwer zu vermittelndes oder zu erklärendes Fachwissen dann herauskristallisieren. Und überall dort, wo es dann halt eben Zertifizierungen braucht oder spezielle Schulungen und am besten dann halt eben auch langwierige Prozesse, hat man die Möglichkeit dann halt eben für sein eigenes Wohlbefinden natürlich dann auch zu starten, ohne dass dann halt der Kunde zum Beispiel sagt: Ja mein fünfzehnjähriger Neffe kann das auch oder so. Damit hat man zum Beispiel gerade in der Agenturwelt mit Visitenkarten und Fotos, jeder Fotograf kann da wahrscheinlich ein Lied von singen, weil die Tochter mit dem iPhone kann natürlich besser fotografieren als er mit der Meisterausbildung. Ironie Ende. Ja genau.

Thomas Ottersbach

Ja, absolut.Ich finde es total spannend.

Du hast eben gesagt, so diese Sinnhaftigkeit, das warum - Purpose nennt man es ja auch. Du hast eben schon kurz skizziert, wann dich das so erfahren hat im Agenturalltag. Vielleicht kannst du noch mal diesen Moment beschreiben, als dir klar war, dass Geld oder Status allein nicht reichen, sondern, dass das auch mehr ist. Also die Sinnhaftigkeit Unternehmen zu führen. Ab wann kam dieser Klick, wo du sagtest, jetzt ist es passiert und ich habe für mich entschieden, jetzt auch mal den Cut zu machen, mutig zu sein, vielleicht kannst du uns in die Gedankenwelt noch mal mitnehmen.

Serhan Sidan

Also das Ganze war nicht geplant, sondern mein Körper hat mir erstmal Signale gegeben, dass so wie es jetzt gerade ist, dass es so nicht weitergehen kann, und deswegen habe ich mich wie gesagt eben von dem ein oder anderen Kunden, der mir nicht gut getan hat, verabschiedet.

Thomas Ottersbach

Würdest du sagen, dass die Entscheidung damals für dich auch ein wichtiger, ja ein klarer Sinn auch war deine mentale Gesundheit, Resilienz als Unternehmer zu stärken, weil du einfach bestimmte Dinge auch selbstbestimmt ja umsetzen kannst? War das für dich ein ganz wichtiger Moment und hat das auch im Nachhinein dann geholfen? Bist du, ich sage mental gesünder gewesen und und hat dich das auch in dem, was du dir damals gedacht hast, diesen Switch vorzunehmen, hat dich das bestätigt?

Serhan Sidan

Also durch die Fokussierung auf eigene Projekte und dann eben auch auf Projekte mit entsprechenden Purpose, wie zum Beispiel Energieberatung, die ja letzten Endes eben in den Klimaschutz mündet, hat man dann ganz automatisch ja ein besseres Gefühl. Man weiß, was man den Kunden da anbietet und hat es dann auch automatisch mit Menschen zu tun, die das, was man da anbietet, wertschätzen und diese Wertschätzung einem dann auch einem zurückgeben und erfahren lassen. Das heißt, man umgibt sich plötzlich aufgrund des eigenen Mindsets mit Menschen, die ähnlich gepolt sind und erfährt dann eben durchweg Positives. Was auch ganz interessant ist, ist das sich das dann auch ganz automatisch finanziell niederschlägt, ne. Also dadurch, dass man es gerne tut, hat man einen ganz anderen Drive. Dadurch, dass die Mitarbeiter das dann halt eben nicht mehr nur noch für den Pay Check machen, sondern auch ebenfalls begreifen, da ist ein bisschen mehr dahinter, hat man auch hier wieder ein ganz anderes Output und ja, letzten Endes führt das dazu, dass man einen sehr gut laufenden Laden hat und sich die ganzen Dinge, die man sich sein ganzes Leben lang schon gewünscht hat, nämlich ich weiß nicht, Geld auf dem Konto und und ein eigenes Haus und vielleicht ein schönes Auto und so weiter nach und nach einstellen.

Und dann passiert eben das, was wahrscheinlich bei jedem Unternehmer irgendwann mal, wenn ein paar Jahre ins Land gezogen sind, einstellt, nämlich man verspürt eine gewisse Leere, man sagt sich ganz einfach: Oh, so habe ich mir das gar nicht vorgestellt in meiner Fantasie war das ein 365 Tage Urlaub mit Sonnenschein und Sonne und Sektflaschen und Korken und so weiter. Tatsächlich ändert sich erst mal gar nichts. Also man merkt plötzlich alles was man braucht, das ist in meinem Fall, ist vielleicht ein Wald und ein Fahrrad und Geld spielt gar nicht mehr so eine große Rolle und man fragt sich, was ist es denn jetzt eigentlich gewesen, was einem den inneren Frieden gibt, und man merkt, es ist eigentlich das, was man tut. Und das war jetzt konkret im Bereich der Energieberatung so.

Wir haben auch noch ein weiteres Projekt, das ist, oder beziehungsweise nicht Projekt, also es gibt noch eine weitere Firma, beschränkt sich einzig und allein auf digitale Barrierefreiheit. Hier bieten wir Tools an, die halt eben Websites barrierefrei machen. Auch hier haben wir es natürlich mit Purpose zu tun, weil wir neben der gesamten Geschäftstätigkeit, also für den Unternehmer, diese Lösung anzubieten, natürlich auch jedes Mal, wenn wir ein solches Produkt platzieren, Tausende, wenn nicht sogar 100 Tausende Menschen mit Beeinträchtigung erreichen, die unsere Tools auch nutzen und allein schon das ist Lohn genug am Ende des Tages.

Und jeder Unternehmer, also auch die, die ich betreue und auch betreut habe in der Vergangenheit, erfährt irgendwann, dass da irgendwas fehlt und ich glaube, es gibt da draußen kaum jemanden, der sagt: Ich verkaufe irgendeinen Quatsch. Zum Beispiel, dass Dinge, die kein Mensch braucht und bin Happy damit. Irgendwann kommt der Moment, und das sehen wir ja auch bei, weiß nicht in den Medien, wo die erfolgreichsten Unternehmer selbst dieser Welt das Bedürfnis haben, was zurückzugeben.

Thomas Ottersbach

Hast du selbst nicht nur eine Veränderung bei dir feststellen können, sondern auch wirklich dann, ich sag jetzt mal im Unternehmen? Also hast du das gut mit transportieren können, ist da auch eine Veränderungsprozess eingetreten. Was würdest du sagen im Nachgang?

Serhan Sidan

Sicher also es ist Purpose, ist es vielleicht kein Thema, wahrscheinlich auch kein perfektes Clickbait für diesen Podcast. Ich weiß es nicht. Purpose ist kein Thema, dass jeder ganz so weit oben auf der Agenda hat, aber es ist ein unglaublich ergiebiges, wie soll ich sagen, eine unglaublich ergiebige Sache.

Purpose ist geeignet, um Mitarbeiter zu motivieren, Purpose ist geeignet, um ja selbst negative Situationen, also Wirtschaftlicherseits, wieder aufzuhellen und einfach zu sagen, Mensch, selbst wenn das jetzt zum Beispiel finanziell sich nicht wie erwartet niederschlägt, haben wir immerhin noch das und das vollbracht, und darauf kommt es dann am Ende an. Purpose ist zum Beispiel der Grund, warum meine Mitarbeiter nicht zum nächstbesten Unternehmen wechseln, das ein paar Euro mehr die Stunde bezahlt. Purpose ist der Grund, warum wir eine unglaublich niedrige Mitarbeiterfluktuation insgesamt haben und Purpose ist auch der Grund, warum wir viele Diskussionen, die wir früher mit Kunden hatten, hinsichtlich Preisfindung und all solchen Dingen eben nicht mehr führen müssen, weil einfach ein gegenseitiges Verständnis und Respekt auf Augenhöhe plötzlich einziehen.

Wir haben zum Beispiel bei uns im Unternehmen strikte, also wenn man sich diesen Luxus erlauben kann, ist der toll, gell. Wir leisten ihn uns, wir haben strikte Regeln, welche Kunden zum Beispiel bei uns einfach nicht angenommen werden, also jetzt nicht persönlich mit dem Namen, aber zum Beispiel Branchen und Tätigkeiten. Wir würden niemals zum Beispiel mit Organisationen oder Menschen zusammenarbeiten, sei es auch nur geringfügig, die auf Kosten anderer sich bereichern. Also zum Beispiel, ich weiß nicht, Tabak hier oder Glücksspiel da oder andere andere Dinge. Also ich weiß nicht, Rüstung würden, würden wir so nicht machen, ne, also da kann Rheinmetall noch so durch die Decke schießen, ich werde dort auch kein Geld investieren. Und mit Sicherheit kostet das auch ab und zu dem ein oder anderen gut betuchten Glücksspielbetreiber zu sagen: Nein, wir machen jetzt für dich hier keine Kampagne, aber auf der anderen Seite haben wir dann halt eben genau diesen Mut bei uns, also diese, wie soll ich sagen, ja, diese Stimmung eben bei uns im Unternehmen nicht, wir müssen uns nicht von dieser Person anrufen lassen und müssen auch nicht auf deren Wehwehchen reagieren und dadurch geht es uns insgesamt besser.

Thomas Ottersbach

Es ist ja nicht nur ein Hebel, ich sag mal, ins Innere des Unternehmens. Würdest du sagen, dass diese Veränderung auch, ich sag mal, das Kundenvertrauen bei euch gestärkt hat? Also egal in welchen Unternehmungen, dass er eben die, die Projekte/Unternehmen genannt würdest du sagen, das nimmt auch positiven Einfluss darauf?

Serhan Sidan

Ich seh das so, dass das schon immer so war, dass aber die Erkenntnis, dass das tatsächlich so ist, eben erst mit dem Einzug der zusätzlichen Belastung, also immer mehr in kürzerer Zeit, leisten zu müssen, mit dem Burnout Syndrom und allem was da einhergeht, eben in den Fokus gerutscht ist. Also die die heutige Generation weiß um Mental Health, die weiß auch, was Work Life Balance bedeutet. Sie weiß nur nicht immer, wie man sie auch umsetzt, ne. Also es ist nicht unbedingt damit getan länger zu schlafen oder am See zu sitzen und dann wieder sich irgendeinem Tyrannen hinzugeben für ich weiß nicht 2 netto. Es braucht eigentlich auch einen Führer vorne oder das löschen wir mal ganz schnell. Es braucht eben auch ein Leader vorne, der sagt so und so erreichst du das und so und so glaube ich zu wissen erhalte ich deine Motivation und deine Arbeitskraft und dein Drive jeden Tag für mich das Beste geben zu wollen und zwar nicht, weil ich dich erpresse oder weil ich dich an die Wand drücke, sondern weil du das gerne machst, weil du weißt, wofür.

Also wenn jemand etwas nur fürs Geld macht, dann wissen wir alle, dann funktioniert das bis zur nächsten Gehaltserhöhung, dann funktioniert das halt wieder 3 Monate und dann lässt das wieder nach und irgendwann kommt man an seine Grenzen und jemand anders bezahlt mehr, das ist einfach nicht nachhaltig.

Ich denke, dass das Thema Purpose auf jeden Fall eine Universalantwort ist und sein kann für alle künftigen Herausforderungen und Probleme, denen wir uns zu stellen haben, inklusive KI inklusive Konflikten und immer weniger Personalisierung, immer weniger persönlichen Austausch ist das Thema Purpose glaube ich insgesamt die Antwort. Und Purpose setzt sich wiederum zusammen zum Beispiel aus gegenseitiger Rücksichtnahme, aus ethischen Grundsätzen, die jedes Unternehmen für sich so definieren sollte. Das ist meine Überzeugung.

Thomas Ottersbach

Jetzt haben wir ja vor zweieinhalb Jahren rund haben wir ne große Veränderung festgestellt. Also ich glaub nicht nur hier im Agenturleben, aber mit den anderen Companies. Das Thema künstliche Intelligenz ist in unseren Alltag gekommen und da hat sich da auch sehr fest etabliert. Würdest du sagen, auch das, was eben davon gesprochen, die Werte sind dir wichtig, die aufrecht zu erhalten vorzuleben und jetzt kommt KI eine völlig andere Art wie man Interaktion betreibt, wie man vielleicht interne Prozesse aufbereitet. Welche Rolle spielt in eurem Alltag und und und auch in deinen Projekten?

Serhan Sidan

Ki ist für uns ein weiterer Faktor. Also ich hatte es ja vorhin erzählt. Als Agenturinhaber ist man ja ständigen Konfrontationen ausgesetzt. Es gab schon immer Neuerungen, wenn nicht gleich, so, ja disruptiv wie jetzt KI, aber es gab schon immer Veränderungen, wie zum Beispiel, weiß nicht besser werdende Digitalkameras, die dem Kunden plötzlich ermöglicht haben, das und jenes zu tun oder Internet-Druckereien oder das Online-Business und und viele andere Dinge, wo sich Kunden plötzlich selber helfen konnten, wo sie früher dann halt eben noch einen fachmännischen Rat geholt haben, vermeintlich auf die gleiche Art und Weise, das hilft jetzt nicht, sich hier auf die Position zu begeben, zu sagen, ja wir können das aber besser, der Kunde ist nur dumm. Also da ist es dann wieder eine gute Rechnung. Also der Agenturbetreiber hat es zu tun mit Fiver, also einer günstigen Plattform, wo ich Menschen auf der ganzen Welt die schwierigsten Dinge machen lassen konnte, also inklusive Coding und dergleichen, und jetzt ist es dann halt eben die KI wieder. Und der Fokus, die Sachen einzig und allein umzusetzen war, glaube ich noch nie der Richtige. Also eine KI anzuweisen schreibe mir ein Skript, das mir jetzt eine Teamverwaltung für meine Internetseite erstellt oder was Kompliziertes ausrechnet, das hätte ich ja auch noch vor einiger Zeit jemandem in ich weiß nicht in Pakistan oder in der Ukraine oder sonst so auf der Welt vergünstigt als Anweisung geben können, das ändert eigentlich nichts. Die wahre Kunst beispielsweise einer Agentur ist diese Informationen oder diese, sagen wir mal, Segmente zu orchestrieren. Zum richtigen Zeitpunkt zum richtigen Moment einzusetzen und daraus ergibt sich dann letzten Endes auch die eigentliche Qualität.

Das zuhören, das Miteinander entscheiden, das am Ball bleiben, das Riskieren, all das so ein bisschen, ist ja auch der Betreiber einer Agentur immer so ein Stück, auch Unternehmensberater. Oder auch Psychologe und muss dem Kunden dann vielleicht auch mal ein Stück weit die Hand halten und sagen, jetzt trau Dich, bleib am Ball, frier, jetzt nicht das Budget ein, weil jetzt gerade es nicht so läuft wie erwartet, sondern wart noch ein bisschen, das kann die KI so nicht leisten. Allerdings ganz wichtig, ich bin jetzt auch niemand, der die KI jetzt heute im Status quo betrachtet und sagt, Mensch, das und das kann sie und das kann sie nicht, deswegen kann uns da nichts passieren. Ich bin absolut einverstanden damit, dass bei diesem rasanten Fortschritt, den die generative KI jetzt gerade hinter sich hat, wir in ein 2 oder vielleicht sogar 5 Jahren mit ganz anderen Fähigkeiten zu rechnen haben, was von dieser Seite kommt.

Aber dennoch ist immer noch so, also ganz wichtig zu wissen, dass der Mensch, wenn man so möchte, in seiner originären Sprache mit anderen Menschen kommuniziert. Wir haben hier keinen Mittler, wir haben keinen Modem, wir haben keinen Wandler und die KI, die übersetzt. Die KI basiert auf mathematischen Rechenprozessen und versucht das Ganze dann wiederum in eine für uns verständliche Form zu verwandeln. Deswegen wird es ihr mit Sicherheit niemals so gelingen, eine Kommunikation stattfinden zu lassen, wie wir das Face to Face können, mit Lippenlesen, mit Mikroexpressionen, mit mit all den Dingen, die wir halt eben, die uns eben zum Mensch machen. Und da ist Purpose natürlich ganz vorne mit dran.

Thomas Ottersbach

Würdest du den Satz, ich hatte den irgendwo mal gelesen, Zitat: „Tech ist das Werkzeug, Purpose die Richtung.“ würdest du dem zustimmen?

Serhan Sidan

Absolut, absolut. Und das Werkzeug, das kann natürlich verfeinert werden, also es gibt von einem berühmten Schraubendreherhersteller jetzt auch die Möglichkeit da hinten einen Knopf zu drücken und dann dreht sich das Ganze sogar noch. Aber dennoch brauche ich natürlich auch jemanden, also meinetwegen kann dieser Schraubendreher dann auch irgendwann sogar zur Schraube hinlaufen, nur trotzdem brauche ich jemanden, der diese Erkenntnis gewinnt, dass diese Schraube überhaupt von Nöten ist oder dass sie angedreht werden muss, das wird die KI so nicht können.

Thomas Ottersbach

Ja, absolut nicht. Wie nutzt ihr noch KI? Nutzt ihr das auch? Du hast eben gesagt, klar als Agentur sowieso, nicht nur für Texte ist es auch schon im Alltagsprozess, was im Alltagsgeschehen auch was Prozesse angeht? Seid ihr kreativer geworden? Vielleicht kannst du da noch mal so ein bisschen von deiner Erfahrung teilen.

Serhan Sidan

Die KI versetzt nicht nur uns, sondern ja jetzt dann nahezu bei jedem Menschen auf der Welt dazu oder befähigt jeden dazu, Dinge zu leisten in noch kürzerer Zeit, so wie es halt eben die ganzen technischen Errungenschaften in der Vergangenheit auch getan haben. Der Druck wird immer größer, also mittlerweile giltst du ja schon als faul, wenn du nicht jeden Tag ein Buch schreibst oder sonst irgendwas, weil die KI dich ja dabei unterstützen kann. Vor einer ganzen Weile waren es halt eben noch irgendwelche Makros im Photoshop, die uns erlaubt haben, 300 Bilder in einer Stunde zu bearbeiten, jetzt ist es die KI, die uns die komplexesten Rechercheaufgaben liefert.

Das Ganze setzt uns unter Druck, ganz klar, und man merkt dann auch, dass man sich irgendwann verzettelt. Man kann einfach den Dingen, die man da alle orchestriert oder verwaltet, dann irgendwann nicht mehr die notwendige Aufmerksamkeit widmen. Es ist immer ganz wichtig, nicht nur zu machen, sondern am Ende auch zu pflegen. Habe ich jetzt beispielsweise eine Website und eröffne neues Thema und sag der KI, schreib mir mal ein Bericht dazu, entferne alle Gedankenstriche und mach keine Data-Tags da rein und so weiter und schreibt das so als wärst du human und humanisiere das Ganze am Ende, dann kann ich das Copy pasten, dann habe ich einen weiteren Inhalt. Jetzt muss ich diesem Inhalt aber auch irgendwo gerecht werden, also wenn dann danach ein Kunde anruft und mich drauf anspricht, sollte ich nach Möglichkeit auch wissen was da steht und wenn ich das jeden Tag mache, habe ich irgendwann eine unverwaltbare Masse und das ganze Zeug muss ja dann auch regelmäßig aktualisiert werden und gepflegt. Das alleine hilft uns so nicht.

Thomas Ottersbach

Wo siehst du euch jetzt mit deinen Unternehmen? Gibt es diesen Weg, wo du sagst: Ich bin jetzt oder habe mir meine Unternehmen total Purpose getrieben, umgesetzt und betreibe sie oder ist es noch so ein Entwicklungsprozess und du sagst wir sind schon sehr weit gekommen aber uns fehlt das das und das noch weil so die Idee die Vision wie dein Unternehmen in Zukunft aussehen könnte oder sollte?

Serhan Sidan

Wir fokussieren uns nicht auf Technologien, wir fokussieren uns auch nicht auf auf die Umsetzung und dergleichen, sondern einzig und allein auf unsere Grundwerte. Und so haben wir zum Beispiel in der Agentur beschlossen, nur noch für die Branchen Gesundheit, Soziales und Umwelt tätig zu sein. Und damit haben wir auch klare Aufgaben, die, so wie ich meine, in der Zukunft immer mehr und immer heftiger Aufmerksamkeit benötigen. Das ist unser Geschäftsmodell letzten Endes, und da sind wir auch ein Stück weit stolz drauf, weil das ganze Sinn macht und wann immer wir auch ein Startup anfassen und irgendwas Neues starten, finden wir uns in eine dieser, sagen wir mal Sektionen oder Branchen wieder oder Handlungsfelder, die wir auch mit der Agentur abdecken. Hier haben wir Kompetenzen für unseren Kunden und ich finde, wenn man dem Kunden sagt, Mensch, hier kann ich für dich das beste Ergebnis rausholen, ich würde das so und so machen, muss man sich auch immer die Frage gefallen lassen, wenn du das so gut kannst, wieso machst du es dann nicht selbst? Und genauso gehen wir an die Sache auch ran, weil wenn wir es gut können, dann ist es eigentlich ja eine gute Frage, warum machen wir es nicht selbst und dann machen wir es selbst.

Thomas Ottersbach

Wenn du jetzt mal, ich sag mal so, mal in dich gehst, was würdest du sagen, was ist jetzt der Antrieb? Ich meine als Unternehmer auf der einen Seite geht es natürlich auch um Umsatz und Profit, um Marge, aber jetzt das, was wir auch besprochen haben in den letzten Minuten, ist glaube ich, sehr deutlich geworden, dass das ab einem gewissen Grad auch nicht mehr das führende Element ist, sage ich mal für Motivation. Ist deine Motivation heute ausschließt, damit begründet Unternehmen anderen Menschen einen Sinn, in ihre Arbeit zu geben? Mit deinen Dienstleistungen unternehmen, die du hast oder wie würdest du das so auf den Punkt bringen?

Serhan Sidan

Es wirkt ungeheuerlich entschleunigend, wenn man sich nicht mehr von Steuererklärung zu Steuererklärung oder von BWA zu BWA hetzen lässt, sondern einfach den tiefen Glauben hegt, dass alles besser wird, wenn es mal nicht so gut ist. Wenn der Kunde mal nicht anruft. Also ich mache das jetzt, wie gesagt, schon seit fast 30 Jahren. Es kommt mindestens einmal im Jahr vor, dass ich denke, ja so schlimm wie jetzt war es noch nie und es wird nie wieder gut. Jetzt ausgerechnet haben endlich alle Kunden erkannt, dass sie unsere Leistung nicht mehr brauchen und dann spinnt man sich irgendwas zusammen und wenn die Kunden wieder kommen, dann spinnt man sich im positiven was zusammen. Und dieser Rollercoaster der Gefühle, der gehört abgeschafft. Und genau das machen wir auch. Wir fokussieren uns einzig und allein nur noch auf auf die Sinnhaftigkeit und der Rest kommt von ganz alleine.

Das ist ein gut gemeinter Tipp für jeden, weil es einfach keinen Sinn macht. Sicher gibt es irgendwelche Kennzahlen die einen alarmieren sollen, aber bitte einen Maßstab wählen, der einen nicht ständig verrückt macht, sondern ich weiß nicht, wenn das Jahr abschließt und dann wirklich siehst: Mensch, jetzt habe ich hier einen Rückgang, dann kannst du was unternehmen, da kannst du auch weichen stellen, aber nicht jeden Freitag oder am besten noch jeden Tag die Zahlen angucken und einen halben Nervenzusammenbruch bekommen, weil es nicht so gut ist wie erwartet, weil auf der anderen Seite gibt es dann halt immer auch andere Überraschungen. Apropos Überraschungen das Leben bringt ja auch selbst einige Überraschungen mit sich, sei es zum Beispiel Gesundheit oder Krankheit. Und maßgeblich ist eigentlich, der Erfolg meines Unternehmens davon abhängig, ob es mir gut geht und damit meine ich jetzt nicht nur unbedingt meine Mentale, also nicht nur solche soften Dinge wie meine mentale Gesundheit jetzt gerade, wie ich drauf bin, sondern auch wirklich meine Leistungsfähigkeit, und es ist meinem Unternehmen wirklich nicht geholfen, wenn ich wirklich früh ja im Krankenhaus liege mit einem Herzinfarkt oder ähnlichem, weil ich das Ganze nicht mehr packe, und deswegen ist es unglaublich wichtig, ähnlich wie ich das mit einem Sparplan machen würde für meine Altersvorsorge auch in meine Gesundheit zu investieren.

Letzten Endes ist ein erfolgreiches Unternehmen dauerhaft erfolgreich, wenn ich sehr lange meine Zeit und mein Engagement investiere und gleichzeitig darf dabei nicht die Gesundheit auf der Strecke bleiben, weil sonst kostet das am Ende viel mehr als es gebracht hat für alle.

Thomas Ottersbach

Ja, absolut. Was würdest du sagen, wie sieht das Unternehmertum insgesamt in den nächsten Jahren aus, was wird sich noch verändern? Auch Schrägstrich noch mehr verändern müssen? Hast du da eine Vision für dich mal entwickelt?

Serhan Sidan

Momentan scheint es, wenn man die die Weltpolitik oder ja noch nicht mal die Weltpolitik, auch die Politik im eigenen Lande verfolgt, ja mittlerweile salonfähig zu sein, auf all die Dinge, die wir uns in den letzten Jahren aufgebaut haben, zu pfeifen, ne. Also der Klimaschutz wird oder beziehungsweise der Klimawandel wird geleugnet, der respektvolle Umgang miteinander, den braucht es auch nicht mehr, siehe USA und auch bei uns sind ja Tendenzen da, die eher so in Richtung Ellbogen Gesellschaft gehen. Ich hoffe stark, dass das bald vorbei sein wird, auf der anderen Seite sprechen aber auch viele Indikatoren dagegen. Wir haben es in der nächsten Zukunft mit wahrscheinlich sehr vielen sich aufbäumenden Krisen zu tun, dieser Klimawandel, was sind Menschen gemacht oder auch nicht sein, also keine persönliche oder keine Vorverurteilung, wird sich definitiv auf unser alltägliches Leben auswirken.

Und es wird auch wahrscheinlich mehr Menschen geben, die dort, wo sie jetzt gerade sind, nicht mehr zurechtkommen und sich auf den Weg machen, damit einher wird eine allgemeine Unzufriedenheit und auch an Wahlverhalten gehen und das Ganze wird dann bald so sein, dass allgemein der Eindruck entstehen könnte, dass man nur noch bestehen kann, wenn man halt eben schaut, wo man selbst bleibt und weniger Rücksicht auf andere nimmt. Tatsächlich hat das noch nie geholfen, geschichtlich betrachtet und deswegen glaube ich, dass Unternehmer, also gerade bei Bezug auf Kundenumgang oder auch Personalführung bestens damit beraten sind, wenn sie weiter an den ethischen Grundsätzen festhalten und sich nicht auf so ein Gequatsche einlassen wie meine Jacke, ist mir selbst am nächsten und dergleichen.

Thomas Ottersbach

Hat es denn auch intern für dich noch Konsequenzen für die Zukunft wo du sagst, da möchte ich auch mit meinem Unternehmen intern hin, möchte da noch ich sage mal einen anderen Denk oder Veränderungsprozess anstoßen oder intensivieren?

Serhan Sidan

Wir haben das Gefühl, oder ich habe das Gefühl, dass ich mit der Maßgabe Purpose angekommen bin, dass ich damit meinen Frieden gefunden habe und dass ich sagen kann, wenn ich so weitermache bis in alle Zeit, solange ich das halt eben noch mache, geht es mir dabei gut. Und solange es mir gut geht, also auch mental und ich auch fit bin jeden Tag und auch Lust habe, kann das alles nur funktionieren. Dadurch kann ich kreative Ideen entwickeln, dadurch kann ich auf Dinge reagieren, statt ihnen mit Gleichgültigkeit oder Lethargie zu begegnen.

Thomas Ottersbach

Was würdest du einem Unternehmen oder raten, die heute starten wollen? Du hast eben selber gesagt, bei dir war das gar nicht so im Plan und es ist natürlich heutzutage immer wieder das Thema Purpose. Sinnhaft arbeiten, leben. Hättest du heute rückwirkend den ein oder anderen Tipp noch zum Schluss, wie man das starten kann?

Serhan Sidan

Muss ich kurz drüber nachdenken.

Thomas Ottersbach

Ich weiß das ist keine einfache Frage, aber das ist ja oft auch in Gesprächen mit anderen Unternehmen, wenn man dann über das Thema Purpose spricht, dann auch wieder, was ich eben meinte, Purpose versus Profit. Ich bin mutig, haben wir heute ganz am Anfang gesprochen, wenn ich auch mal Kunden ablehne, so, und das ist ja alles gar nicht so einfach und bei dir ist das ja so, aus einem inneren Antrieb entstanden und es kann ja durchaus sein, dass Unternehmer oder junge Unternehmen heute starten wollen und genau das auch als wichtig empfinden. Und deswegen war so die Frage, was du vielleicht rückblickend für einen Tipp vielleicht sogar hast.

Serhan Sidan

Wenn man heute gründet, dann hat man vielleicht das Gefühl, dass es alles schon mal gab oder dass es schon alles gibt oder vielleicht auch schon bald durch KI und ähnliche Dinge obsolet werden könnte. Ich möchte da mahnend erinnern, dass ich glaube, 1900 war es in London das letzte Patentamt geschlossen werden sollte, weil alle Erfindungen schon gemacht wurden. Das ist bei weitem nicht so und wir sehen auch jeden Tag, also mitunter in deinen Beiträgen, dass es dann doch immer wieder Menschen gibt, die hier ganz grandiose Ideen haben und damit auch sehr erfolgreich sind. Solange es Menschen gibt, wird es wahrscheinlich auch Probleme geben, die es zu lösen gilt und und junge Startup-Unternehmer, die diese Probleme in Angriff nehmen können. Wichtig ist halt eben nur zu schauen, dass man das richtig macht. Wenn man denn langfristig leistungsfähig und glücklich sein möchte, empfehle ich auf Purpose zu setzen, weil einem dann halt eben auch entsprechend positiv Signale zurückgespielt werden, die das ermöglichen. Andernfalls glaube ich nicht, dass irgendjemand da draußen ausreichend Panzer hat, also Panzerhaut, um dann nicht schaden zu nehmen, wenn man sich halt eben ja aus anderen Antrieben da draußen behaupten möchte. Ich halte es für grundsätzlich verkehrt, allein für Ruhm und Geld tätig sein zu wollen. Nicht, weil ich Ruhm und Geld nicht mag, sondern weil ich ganz einfach inzwischen erfahren habe, dass das bei Weitem nicht alles ist.

Also hier ein kurzer, ja ein Beispiel. Also meine Tochter hat sich unglaublich eine Puppe gewünscht, so eine Realborn war es glaube ich hat 500€ gekostet, da war sie noch relativ klein und da habe ich sie dann einen Zettel schreiben lassen, was sie alles mit dieser Puppe macht, wenn sie sie mal bekommt und nach 2 Wochen hat sie diese Puppe auch nicht mehr interessiert, aber den Zettel haben wir heute noch und da steht natürlich drin, ich kämm ihr jeden Tag die Haare 10 mal am besten und am Morgen vor der Schule ist das das erste was sie macht und am Abend bevor ins Bett geht, ist es auch das letzte. Und so ähnlich verhält sich das auch mit mit Ruhm und Geld. Man stellt sich vor, wie das alles wäre, aber am Ende bleibt eigentlich nichts übrig, außer der Möglichkeit sich weiß nicht die dritte Playstation, das vierte Haus und das 20. Auto zu kaufen und das bereichert einen wirklich nicht. Also jeder der eine Firma hat und vielleicht mal mehr als ein iPhone bestellt hat, kann sich ungefähr so ein bisschen vorstellen wie das ist.

Thomas Ottersbach

Würdest du sagen, ich meine, du bist immer noch Unternehmer und es ist auch immer noch viel Arbeit, würdest du aber dennoch sagen, dass seit diesem, ich sag mal gedanklichen Switch auch, dass du insgesamt, ich sag mal nicht entspannter dich fühlst, sondern trotz der vielen Arbeit das besser auffangen kann, also sprich auch da deine Resilienz sich noch mal komplett verändert hat?

Serhan Sidan

Also sie ist definitiv besser geworden. Allerdings bin ich nicht, bin ich nicht unverwundbar. Nach wie vor habe ich mit meinen Zweifeln und auch mit mit schwierigen Situationen zu kämpfen, aber es hat sich deutlich verbessert und ich arbeite jeden Tag an mir und versuche mögliche Stressoren zu identifizieren. Ich versteck mich auch nicht, vergrab mich nicht, sondern ich gehe die Stressoren offensiv an und beseitige sie, also mit einer klaren, einer klaren Ansage.

Wie zum Beispiel damals zum Kunden zu sagen, wir sollten vielleicht nicht zusammenarbeiten, geht es vielleicht woanders hin, oder änder bitte dies oder jenes, dann kann ich es mir weiterhin vorstellen. Also es ist auf keinen Fall, das wollte ich jetzt an dieser Stelle noch erwähnt haben, nicht ratsam, nicht mehr ans Telefon zu gehen, weil das ist tatsächlich eine typische Reaktion vieler Unternehmer, die dann sagen, Oh, jetzt will der Kunde auch noch was und so weiter und gehen dann mit einem ganz großen Stresspäckchen abends ins Bett und wundern sich, dass sie Ausschlag bekommen oder ähnliches.

Thomas Ottersbach

Super Serhan, ich danke dir sehr mal für deine Perspektive, ich glaub da wird viel zu wenig drüber gesprochen. Auf der anderen Seite erlebe ich natürlich auch, dass mit diesen Begriffen Purpose, Sinnhaftes arbeiten auch zum Teil sehr inflationär umgegangen wird und manchmal hat man so ein bisschen das Gefühl, es ist nicht nur ein Buzzword, es ist so ne Art Hype oder Trend und dabei steckt dann glaub ich viel mehr hinter, wenn man sich mit dem Thema mal richtig beschäftigt. Und es hat nicht nur Nachteile, auch das wird ja häufig suggeriert, ne. Dass ich dann irgendwie arrogant bin, weil ich genau was du gesagt hast mit bestimmten Branchenunternehmen nicht mehr arbeiten will, aber dem ist nicht so, wenn man so dieses Gesamtkonstrukt in Anführungszeichen sieht und wo ich auf der anderen Seite vielleicht augenscheinlich eher mal n Nachteil habe, entpuppt sich das Ganze als Vorteil auf der anderen Seite.

Also von daher danke ich dir sehr mal für deine Gedanken und deine Perspektive auf das Thema, danke dir.

Serhan Sidan

Sehr gerne.